„Bitte den Film entwickeln und von allen Guten einen Abzug!“ Mit diesen Worten wurden unzählige Filmpatronen auf die Theken zum Teil obskurer Fotodienstleister gestellt. Wer sollte jetzt entscheiden, was ein „Gutes“ war? Der angehende Fotolaborant, der vor drei Monaten seine Ausbildung begonnen hatte, der Drogist, der die Fotoannahme als lukrative Umsatzsteigerung seines Betriebes betrachtete oder die Fotografenmeisterin, die seit über dreißig Jahren im Ort ansässig war und nahezu jede Hochzeit fotografiert hatte, sich aber in Maschinenhallen unwohl fand? Alle diese Menschen sollten die Ergebnisse besser beurteilen können als der Fotograf, der seine Arbeit gerade auf die Theke gestellt hatte? Was bedeutete „Gutes“ denn in diesem Zusammenhang. Sicherlich für jeden oben Genannten etwas anderes. Meist war glücklicherweise gemeint, dass der Kunde sich von jedem technisch einwandfreien Negativ einen Abzug wünschte. Die Unsicherheit vor der Theke war aber oftmals so groß, dass man sich auch bei inhaltlichen Qualitätsbeurteilungen der erstellten Fotografien auf die Dienstleister verließ, weil man bei ihnen, allein durch ihren Platz hinter der Theke, mehr Kompetenz vermutete.
Die Verbreitung der Fotografie in unserem Land nahm in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre durch die ebenfalls gesteigerte Reisefreudigkeit zu. In der Folgezeit gab es dadurch mehr Fotozeitschriften und es gab die ersten Fotoausstellungen in denen sogar Fotokunst gezeigt wurde. Die Zahl der Fotoabzüge stieg von Jahr zu Jahr (Bild oben). Im Zuge der Gewinnmaximierung erreichte die Qualität der meisten Labore in den 70ern ihren absoluten Tiefpunkt, engagierte Fotoamateure suchten die Fachlabore auf, die von den Profis genutzt wurden, um vernünftige Abzüge zu erhalten. Die Zahl der Abzüge pro Jahr stieg trotz dramatischer Qualität weiter.
Adams und die Kunst
Dann veröffentlichte der Christian Verlag in den 80er Jahren die Übersetzungen der drei Ansel Adams Bände The Camera, The Negativ und The Print unter den Namen Die Kamera, Das Negativ und Das Positiv. Bei der Übersetzung der Titel war man wie bei den meisten Inhalten auf der richtigen Spur. Wie aber bei fast allen eingedeutschten Titeln angloamerikanischen Ursprungs, gab es natürlich auch eine Reihe von Übersetzungsfehlern. Neben den Übersetzern arbeiten auch technische Korrektoren für die Verlage. Deshalb ist es mehr als unverständlich, dass manche Inhalte derart falsch übersetzt werden. Es muss doch nicht, wie beim Film, auf Lippensynchronität geachtet werden. So wurde der amerikanische Ausdruck „Fine Art Print“, den Adams benutzte, zum „feinen Bild“. Die Kunst ließ man unter den Tisch fallen obwohl Adams maßgeblich an der Etablierung der Fotografie in der Kunst oder anders formuliert in den schönen Künsten beigetragen hatte. Frei würde ich einen „Fine Art Print“ als einen „künstlerischen Abzug“ übersetzen.
Neudeutsch heißt Anglizismus
Mit der Einführung der Digitalfotografie änderten sich auch die Ausgabemöglichkeiten von Dateien. Neben Leinwänden, Alu-Dibond, Acryl, etc. gibt es eben auch Fine Art Prints. Ein Marketingbegriff der Fotokunst wurde zum Marketingbegriff der Industrie. Smarte Dienstleister finden es hip, solche Fine Art Prints anzufertigen. Leider sind heute nur wenige dazu wirklich in der Lage. Was ist der Fine Art Print also wirklich? Es ist die autorisierte, unter guten Archivierungskriterien erstellte Ausgabe eines künstlerischen Werkes eines Fotografen. Ein Fine Art Print entsteht nicht automatisch dadurch, dass ein Dienstleister eine Datei auf einem Großformatdrucker ausgibt. Auch nicht, wenn dieser Druck zertifiziert ist.
Ich höre vor den Theken schon folgende Bestellung: „Von den Allerbesten machen Sie mir bitte Fine Art Prints!“