Eine allgemein verbreitete Vorgehensweise, speziell bei Porträtaufnahmen, ist das Fokussieren mit dem mittleren Messfeld des Autofokus auf das der Kamera zugewandte Auge. Der so gesetzte Fokus wird gespeichert und anschließend wird der Bildausschnitt bestimmt. Dann erfolgt die Auslösung. Leider findet durch das Verschwenken der Kamera auch eine neue Positionierung des Sensors statt und das vermeintlich scharfe Auge wird unscharf.
Probleme bei Aufnahmen mit weit geöffneter Blende
Das oben beschiebene Problem hat natürlich seine größten Auswirkungen bei Aufnahmen mit großen Blendenöffnungen und mittleren bis längeren Brennweiten, da hier der Schärfentiefebereich deutlich reduziert ist. So beträgt die Schärfentiefe bei einem 85 mm Objektiv bei Blende 1,4 und einem Aufnahmeabstand von 2 m bei einer Vollformatkamera nur ca. 4 cm. Das Gleiche gilt für eine Brennweite von 135 mm bei Blende 2,8 und bei einer Brennweite von 200 mm und Blende 2,8 sind es nur noch 2 cm. Die persönlichen Körperbewegungen reichen da schon in der Tiefenschwankung aus, um ein unscharfes Bild zu erzeugen. Doch auch bei Aufnahmen vom Stativ reicht schon die Verschwenkung der Kamera.
Testen Sie selbst
Als Aufnahmeobjekt eignet sich eine Zeitung. Befestigen Sie die Zeitung an einer Wand, stellen Sie die Kamera in 2 m Entfernung auf ein Stativ und richten Sie diese parallel zur Zeitung aus. Fokussieren Sie mit dem mittleren Fokuspunkt auf die Zeitung und schalten Sie dann den Autofokus und den eventuell vorhandenen Bildstabilisator ab. Damit wird eine Verstellung der Entfernungseinstellung vermieden und der Bildstabilisator wundert sich nicht, warum sich nichts bewegt und kommt so auch nicht auf den Gedanken, mal testweise etwas zu stabilisieren, was gar nicht stabilisiert werden muss. Machen Sie ein Foto bei vollständig geöffneter Blende (mind. 2,8).
Nun verschwenken Sie die Kamera so, dass der Punkt auf den Sie scharf gestellt haben auf einem der Kreuzungspunkte einer gedachten Drittelteilung des ursprünglichen Bildausschnitts zu liegen kommt. Machen Sie erneut ein Foto,…
…laden Sie beide Fotos in Ihren Rechner und vergleichen Sie. Bei genauer Betrachtung der beiden Fotos werden Sie feststellen, dass das erste Foto scharf ist… …und das zweite…?
Nutzen Sie Ihre Fokuspunkte
Ein vernüftiges Schärfeergebnis können Sie also bei Aufnahmen mit offener Blende nur erreichen, wenn Sie Ihren Fokuspunkt so im Sucher platzieren, dass er z.B. auf das Auge des Modells ausgerichtet ist und Sie genau in dieser Position auslösen. Sie werden damit nicht immer den optimalen Bildausschnitt erreichen, was aber nicht so tragisch ist. Bei der hohen Auflösung, die heutige Kameras bieten, können Sie nachträglich Ihren Bildausschnitt am Rechner festlegen. Denn – was nützt Ihnen die tollste Komposition, die Sie direkt in der Kamera erstellt habe, wenn das Foto nicht scharf ist? Dann lieber ein minimaler Qualitätsverlust durch die Reduktion der Bildgröße. Ja, an der Physik kommen wir alle nicht vorbei. Das bedeutet auch, dass der Schärfeverlust im Randbereich des Objektivs auch einen Teil der obigen Unschärfe ausmacht. Aus der Hand schaffen Sie es aber niemals, die Positionsveränderung der Kamera so gering zu halten wie bei einer Stativaufnahme.